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09.07.2024

Die EU-Kommission macht Ernst – aktuelle Entwicklungen bei der Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen in der EU und in Deutschland

Neuer Verordnungsentwurf der EU Kommission zur Überprüfung ausländischer Investitionen und Auswirkungen auf die aktuellen deutschen Regelungen

Die Europäische Kommission („Kommission“) hat im Januar 2024 den Entwurf für eine neue Verordnung zur Überprüfung ausländischer Investitionen in der EU veröffentlicht.1 Bisher sieht die 2020 in Kraft getretene (Vorgänger-)Verordnung zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der EU („FDI-Screening-VO“)2 lediglich einen freiwilligen Rahmen für die Umsetzung von nationalen investitionskontrollrechtlichen Regelungen vor. Ziel ist jeweils die Prüfung (und Vermeidung) von möglichen negativen Auswirkungen auswärtiger Investitionen in nationale Zielunternehmen innerhalb der EU mit Blick auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung (sog. Investitionskontrolle, bzw. „foreign direct investment („FDI“) control“). Nach dem neuen Entwurf müssen FDI-Regime nun verpflichtend von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Zudem wurde der Anwendungsbereich der erfassten Transaktionen sowie kritische Sektoren erweitert bzw. präzisiert und der bestehende Kooperationsmechanismus zu laufenden Verfahren zwischen der Kommission und den Mitgliedsstaaten gestärkt. Parallel gibt es Reformpläne in Deutschland.

Seit 2020: FDI-Screening-VO

In der aktuellen FDI-Screening-VO sind Mindestvorgaben an freiwillig umzusetzende nationale FDI-Regime, sowie ein Kooperationsmechanismus zur Koordinierung von laufenden nationalen FDI-Verfahren zwischen der Kommission und den Mitgliedsstaaten geregelt. Der Kooperationsmechanismus dient der Vermeidung möglicher negativer Auswirkungen auswärtiger Investitionen in mehr als einem Mitgliedsstaat, in der EU und im Hinblick auf bestimmte Projekte und Programme der EU.

Der Anwendungsbereich der Mindestvorgaben und des Kooperationsmechanismus erfasst nach dem recht offenen Wortlaut „Investitionen“ eines unionsfremden (d.h. ausländischen) Investorsjeder Art zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen“ in wirtschaftlich tätige unionsansässigen Zielunternehmen durch die Bereitstellung von Kapital, insbesondere mittels effektiver Beteiligung an der Verwaltung oder durch den Erwerb von Kontrolle („ausländische Direktinvestition“).

Für die materielle Prüfung sind insb. die Tätigkeiten des Zielunternehmens in einem der nach der FDI-Screening-VO kritischen Sektoren zu berücksichtigen. Erfasst sind u.a. kritische Infrastrukturen, kritische Technologien (zu diesen zählen: Dual-Use Produkte und aktuelle Hochtechnologien wie KI, Robotik, Halbleiter, Cybersicherheit, Energiespeicher, Bio-, Nano-, und Quantentechnik, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung sowie Nukleartechnik), kritische Ressourcen, sensible Informationen und Medien. Als weiteres Kriterium für die Prüfung sind zudem investorenspezifische Kriterien relevant. Hierunter fallen bspw. ausländische Investoren, die Regierungen von Drittstaaten nahestehen, sowie vergangene kritische Investitionen oder illegale bzw. kriminelle Aktivitäten eines ausländischen Investors.

Bisher haben 243 von 27 EU-Mitgliedstaaten, einschließlich Deutschland4, Regelungen entsprechend der FDI-Screening-VO umgesetzt bzw. bestehende FDI-Regime angepasst. Diese sind regelmäßig verbunden mit nationalen Anmeldepflichten, Vollzugsverboten vor Freigabe, der Möglichkeit zum Aufgreifen nicht anmeldepflichtiger Transaktionen im Ermessen der nationalen Behörden (sog. ex offizio-Prüfung), sowie flankierenden empfindlichen straf- oder bußgeldrechtlichen Sanktionen.

Entwurf 2024: Neuer Verordnungsentwurf

Im aktuellen Entwurf für die Verordnung zur Überprüfung ausländischer Investitionen in der EU will die Kommission nun noch strengere Mindeststandards für die Ausgestaltung nationaler Investitionskontrollregime und die Nutzung des Kooperationsmechanismus verpflichtend vorgeben. Daneben ist geplant, über direkte Investitionen von ausländischen Investoren hinaus nun explizit auch verpflichtend mittelbare Investitionen von Investoren im Ausland der Investitionskontrolle zu unterstellen.

Neue Mindeststandards für die Ausgestaltung nationaler Investitionskontrollregime

Mitgliedsstaaten sollen nun nicht mehr nur verpflichtend Regelungen zur Überprüfung von (a.) direkten ausländischen Investitionen in unionsansässigen Zielgesellschaften durch unionsfremde Gesellschaften umsetzen, sondern auch die Überprüfung von (b.) mittelbaren ausländischen Investitionen, bei denen nicht ausländische Gesellschaften, sondern deren jeweilige kontrollierten Tochtergesellschaften mit Sitz in der EU das unionsansässige Zielunternehmen erwerben.

Fallgruppe (b.) wird damit nun erstmals explizit in die Regelungstechnik der Verordnung mit aufgenommen. Damit reagiert die Kommission auf das Urteil des EuGH in Sachen Xella M.5 Der EuGH hatte dort u.a. festgestellt, dass sich der Anwendungsbereich der in der aktuellen FDI-Screening-VO bereits geregelten Fallgruppe der ausländischen Direktinvestitionen (Fallgruppe (a.)) allein auf direkte Erwerbe durch unionsfremde Investoren in unionsansässige Zielgesellschaften erstreckt und explizit keine mittelbaren Erwerbe durch für den auswärtigen Investor agierende unionsansässige Erwerbergesellschaften erfasst, selbst wenn diese letztlich von auswärtigen Investoren kontrolliert oder anderweitig beeinflusst werden (die so mittelbar das Zielunternehmen bzw. Anteile daran erwerben).

Dieser Auslegung zugrunde liegt der Gedanke, dass jede Gesellschaft mit Sitz in der EU von der Niederlassungsfreiheit profitiert und über das Recht verfügt ihrerseits Beteiligungen an dritten Gesellschaften in der EU zu halten bzw. zu erwerben. Dabei kommt es zunächst nicht auf den im Ausland sitzenden wirtschaftlichen oder kontrollierenden Eigentümer hinter der Gesellschaft an. Mit der neuen Fallgruppe (b.) soll diese Regelungslücke nun trotz der damit verbundenen Einschränkung der Niederlassungsfreiheit zugunsten des Schutzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den EU-Gesetzgeber explizit mitgeregelt werden.

Der neue Entwurf sieht darüber hinaus verpflichtend die Einführung von investitionskontrollrechtlichen nationalen Anmeldepflichten verbunden mit einem Vollzugsverbot bis zur Freigabe vor, wenn das Zielunternehmen

  • an einem der Projekte oder Programme von Unionsinteresse gemäß Anhang I des neuen Entwurfs beteiligt ist oder daran teilnimmt,

oder in einem der in Anhang II des neuen Entwurfs aufgeführten Bereiche wirtschaftlich tätig  ist, d.h. innerhalb der

  • Gemeinsamen Liste der Dual-Use-Güter, die in der EU der Ausfuhrkontrolle unterliegen,
  • Gemeinsamen Militärgüterliste der EU,
  • Liste der Technologiebereiche, die für die wirtschaftliche Sicherheit der EU von entscheidender Bedeutung sind (welche über die aktuell geschützten Infrastrukturen und Sektoren hinaus nun u.a. fortschrittliche Technologien in den Bereichen Konnektivität, Navigation, Digitales, Sensorik, Werkstoffe, Fertigung und Recycling umfasst),
  • Liste kritischer Arzneimittel in der EU, oder
  • in bestimmten kritischen Einrichtungen bzw. Bereichen des EU-Finanzsystems.

Insgesamt werden damit die aktuell bereits im Rahmen der FDI-Screening-VO geschützten Sektoren ausgeweitet und näher definiert sowie einer Anmeldepflicht unterstellt.

Darüber hinaus müssen Mitgliedsstaaten für relevante Investitionen in unionsansässige Zielunternehmen, die in keiner der oben genannten kritischen Sektoren tätig sind (und damit keiner Anmeldepflicht unterliegen) die Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung innerhalb eines Zeitraums von mindestens 15 Monaten nach Closing durch nationale Behörden vorsehen (ex offizio-Prüfung). Im Ergebnis können Mitgliedsstaaten damit sämtliche relevanten ausländischen Investitionen in unionsansässige Zielunternehmen einer Überprüfung im Hinblick auf negative Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung unterziehen.

Kooperationsmechanismus

Der Anwendungsbereich des Kooperationsmechanismus wird im neuen Entwurf so ausgeweitet, dass zukünftig nicht mehr alle überprüften ausländischen Direktinvestitionen in die Runde der Mitgliedsstaaten und an die Kommission gemeldet werden müssen, sondern nur die Transaktionen, die auch einer Anmeldepflicht unterliegen oder von einem Mitgliedsstaat in Phase II geprüft werden sowie solche, bei denen der Investor entweder die bereits bekannten investorenspezifische Kriterien erfüllt oder EU-Wirtschaftssanktionen unterliegt.

Zur Verfahrensbeschleunigung soll die Meldung im Kooperationsmechanismus nun innerhalb von 15 Tagen nach Eingang der Anmeldung bzw. 60 Tage nach Eröffnung eines Phase II-Verfahrens durch den jeweiligen Mitgliedsstaat erfolgen (statt wie bisher nur „so bald wie möglich“). Der Entwurf führt zur Vermeidung von divergierenden Fristen zudem einen neuartigen Mechanismus für Transaktionen ein, die in mehreren Mitgliedstaaten angemeldet werden müssen (sog. multijurisdiktionale Transaktion): Sämtliche Anmeldungen sollen dann in allen Mitgliedsstaaten, in denen eine Anmeldepflicht besteht, am gleichen Tag eingereicht werden und durch die Mitgliedstaaten ebenfalls zeitgleich in den Kooperationsmechanismus gemeldet werden.

Auswirkungen deutsche Investitionskontrolle

In der deutschen Investitionskontrolle (§§ 55 ff. AWV) ist neben dem direkten Erwerb durch unionsfremde, bzw. ausländische Investoren an deutsche Zielunternehmen auch der mittelbare Erwerb bereits umfassend geregelt: als potentieller ausländischer Investor kommt jede Gesellschaft oder natürliche Person in Betracht, die mehr als 10%, 20% oder 25% (je nach Fallgruppe) der Stimmrechte am Zielunternehmen oder an einer (Zwischen-)Gesellschaft entlang der Kette der Beteiligung am Zielunternehmen bzw. unmittelbaren Erwerber hält. Daneben ist der reine Kontrollerwerb aus anderen Gründen (bspw. Verträge oder Gremienbesetzung) bisher noch nicht geregelt und auch der bestehende sog. „atypische“ Kontrollerwerb – bei dem der tatsächliche Einfluss über die gehaltenen Stimmrechte hinausgeht – unterliegt nur im Bereich der sektorspezifischen Prüfung (§ 60 ff. AWV) einer Anmeldepflicht.

Hinsichtlich der in Deutschland als kritisch betrachteten Sektoren und investorenspezifischen Kriterien sind in den §§ 55a und 60 AWV bereits spezifische Listen auf Basis der aktuellen (recht offenen) FDI-Screening-VO geregelt. Angesichts des neuen Entwurfs der Kommission (der durchweg auf weitere Listen der EU verweist) werden die bestehenden Fallgruppen vermutlich an Trennschärfe verlieren und künftig mehr Zielunternehmen erfassen. Darüber hinaus ist die Aufnahme von EU-Sanktionen als kritischer Faktor aus deutscher Sicht ein neues Kriterium.

Weitere Änderungen werden sich auf Basis der Überarbeitung des Kooperationsmechanismus ergeben – Deutschland hatte hier bisher zurückhaltend nur Phase II-Verfahren gemeldet. Insoweit gibt der neue Verordnungsentwurf nun genaue Vorgaben an die Mitgliedsstaaten zur Nutzung des Mechanismus vor.

Das BMWK hatte bereits letztes Jahr die Einführung des Investitionsprüfgesetzes (IPG) angekündigt, welches der Bedeutung der deutschen Investitionskontrolle (die bisher maßgeblich in der AWV geregelt wird) Rechnung tragen soll. Hierbei sollten – wie nun auch im Entwurf der Kommission vorgeschlagen – insbesondere die relevanten kritischen Bereiche auf den Prüfstand gestellt und zur Vermeidung von Regelungslücken u.a. Greenfield-Investitionen sowie Lizenzvereinbarungen explizit als relevante Tatbestände erfasst werden (entsprechendes sieht nach den Erläuterungen zur neuen Verordnung nun ebenfalls die Kommission vor). Zudem erwägt die Bundesregierung die Ausweitung bestehender Ausnahmen bei internen Umstrukturierungen und die Verkürzung der Prüffrist in Phase I von 2 Monaten auf 45 Kalendertage.

Implikationen für zukünftige Transaktionen

Für die Transaktionsberatung könnte mit dem neuen Entwurf ein bereits im Vorhinein für Transaktionsparteien konkret zu bestimmender Rahmen an kritischen Sektoren vorgegeben werden, der dann innerhalb der EU zunächst einheitlich und als „untere Grenze“ verbindlich für Anmeldepflichten in allen Mitgliedsstaaten relevant wäre. Insoweit würde sich ein höheres Maß an Planungssicherheit für M&A-Transaktionen im Bereich der FDI-Kontrolle ergeben. Da jedoch weiterhin nur ein Mindestmaß vorgegeben werden würden, bleiben – ggf. überschießende – nationale Besonderheiten auch weiterhin von Bedeutung für die Bestimmung von Anmeldepflichten.

Mit der im Entwurf geforderten zeitgleichen Einreichung von Anmeldungen in multijurisdiktionalen Transaktionen wird nicht nur ein stark erhöhter Koordinierungsaufwand während der Vorbereitung der Anmeldung, sondern auch für den Zeitraum der dann gleichzeitig laufenden nationalen Prüfverfahren von den Transaktionsparteien gefordert. Insoweit könnte auch die Bewertung der Kommission und dritter Mitgliedsstaaten innerhalb des Kooperationsmechanismus in den Verfahren eine größere Rolle spielen.

Kommentar

Auch mit Einführung des neuen Entwurfs der Kommission für eine Verordnung zur Überprüfung ausländischer Investitionen in der EU als (nun höherer) Mindeststandart bleibt die Investitionskontrolle in der Hand der Mitgliedsstaaten. Nicht zuletzt hat eine Vielzahl entsprechende FDI-Regime bereits umgesetzt. In den verbleibenden Mitgliedsstaaten ist insoweit – spätestens mit Inkrafttreten der Verpflichtungen aus dem aktuellen Entwurf – ebenfalls mit der zeitnahen Umsetzung nationaler FDI-Regime zu rechnen. Letztlich wird der Entwurf jedoch noch im Detail zwischen den verschiedenen beteiligten Stellen der EU und den Mitgliedsstaaten abgestimmt. Insoweit könnten sich im weiteren Entwurfsverfahren noch Änderungen ergeben. Mit einer Umsetzung ist deshalb vermutlich erst im nächsten oder übernächsten Jahr zu rechnen. Die zusätzlich eingeführten Kriterien und Verfahren geben allerdings bereits einen guten Einblick in die aktuelle Stimmungslage im Bereich der Investitionskontrolle in der EU, denen die Mitgliedsstaaten bei Bedarf auch durch nationale Regelungen zuvorkommen können.

 

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