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13.05.2024

Der Arbeitsmarkt im Fokus der Wettbewerbshüter

Ob „no-poach“, „wage fixing“ oder Marktmachtmissbrauch – der Personalbereich wird immer mehr zur kartellrechtlichen Angelegenheit

Als Margrethe Vestager1 im Oktober 2021 die verstärkte Verfolgung von Vereinbarungen zu Abwerbeverboten („no-poach agreements“) oder Absprachen zu Gehältern („wage fixing“) ankündigte, waren Kartellverfahren im Personalbereich längst kein Novum mehr. Diese neue Ausrichtung ist in der Zwischenzeit sowohl international, in Europa als auch in Deutschland deutlich spürbarer geworden.

Die von der Kommissarin angekündigte „new era of cartel enforcement2 hat mit der Durchsuchung des Essenslieferdienstes Delivery Hero und der Tochtergesellschaft Glovo an den Standorten in Berlin und Barcelona im November 2023 endgültig in der Kartellverfolgung auf EU-Ebene Einzug erhalten. Die Durchsuchung war die erste öffentliche Offensive der Kommission gegen no-poach agreements.3 Im März erklärte ein Vertreter der Kommission, dass derzeit vier bis fünf Ermittlungen zu no-poach agreements geführt würden.4 Die US-Wett­be­werbs­­behörde hat im April eine neue Regelung zu Wettbewerbs­verboten im Arbeitsverhältnis veröffentlicht. Die Kommission hat Anfang Mai dem Kartellrecht in Arbeitsmärkten einen aktuellen „Competition Policy Brief“ gewidmet. Schon im August 2023 hatte sich der Kartellsenat des OLG Düsseldorf mit einer – etwas anders gelagerten – kartellrechtlichen Abgrenzung eines Arbeitsmarktes befasst.

Neuer Schwerpunkt „mit Ansage“

Nachdem Margrethe Vestager 2021 no-poach agreements und wage fixing konkret als neue Arten von Kartellen bezeichnet hat, ist wage fixing in den im letzten Jahr veröffentlichten überarbeiteten Horizontalleitlinien der Kommission5 explizit als eine Form des Einkaufskartells bezeichnet.6 Die Verfolgung entsprechender Verstöße kommt daher nicht überraschend.

Verbotene Absprachen

Kartellrechtlich relevant ist grundsätzlich jedes Verhalten, das den Wettbewerb auf einem betroffenen Markt beschränkt. Als „Klassiker“ solcher Verhaltensweisen auf dem Arbeitsmarkt haben sich in der jungen Historie der Kartellverfolgung neben dem stets höchst relevanten Aus­tausch geschäftlich sensibler Informationen mit besonderem Bezug zum Personalbereich, die no-poach agreements und das wage fixing herausgestellt, die zudem ausdrücklich im Fokus des am 3. Mai 2024 von der Kommission veröffentlichten Papiers stehen.7 Die Kommission betont hier u.a. die enge Zusammenarbeit mit den nationalen Kartellbehörden im Rahmen des European Competition Network (ECN).

No-poach Agreements

No-poach agreements sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, in denen diese sich verpflichten, keine Mitarbeitenden des anderen Unternehmens abzuwerben. No-poach agreements können beispielsweise Regelungen enthalten, dass angestellte Arbeitnehmer der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen nicht aktiv abgeworben oder Arbeitnehmer auch dann nicht eingestellt werden, wenn diese sich initiativ bewerben. No-poach agreements haben regelmäßig das Potenzial, den Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt einzuschränken: Sie haben direkte Auswirkungen auf Einzelpersonen und auf den Wettbewerb selbst, indem Gehälter niedrig gehalten und Arbeitnehmer daran gehindert werden, nach eigenen Vorstellungen zu wechseln.

No-poach agreements können im Einzelfall kartellrechtlich zulässig sein, wenn sie aufgrund eines legitimen Zwecks zwingend erforderlich sind. Solche Konstellationen sind im Rahmen von Zusammenschlussvorhaben, Produktionsvereinbarungen oder Kooperationen, insbesondere im Bereich von Forschung und Entwicklung, vorstellbar. Die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung ist allerdings stets im konkreten Fall zu prüfen.

Wage Fixing und Informationsaustausch

 Absprachen (bzw. der ebenfalls kartellrechtlich kritische Informationsaustausch) im Rahmen von wage fixing können neben der Vergütung auch andere Beschäftigungskonditionen umfassen. Relevante Wettbewerbsparameter bei der Personalgewinnung sind neben den Gehältern auch weitere Faktoren oder Arbeitsbedingungen, wie z.B. Urlaubs-, Mobilgeräte- oder Dienstwagenregelungen oder freiwillige Sozialleistungen.

Weltweite Verfolgung: Statistik und neue FTC Regelung

Die weltweit gewachsene Aufmerksamkeit der Kartellbehörden bezüglich Verhaltensweisen auf Arbeitsmärkten wird durch einen Blick auf die Statistiken deutlich: Weltweit sind für solche Fälle seit 2018 mind. 36 Entscheidungen ergangen. Zudem sind zum jetzigen Zeitpunkt 13 laufende Ermittlungen bekannt, wovon in acht Fällen wegen no-poach agreements ermittelt wird (neben den Ermittlungen der Kommission in der Branche der Essenslieferdienste zudem beispielsweise in Belgien, Frankreich, Portugal, Rumänien und der Türkei). Zwei Verfahren beziehen sich auf Informationsaustausch (Brasilien und Schweiz) und eines auf eine Vereinbarung zu Arbeitskonditionen (Kolumbien).

Wettbewerbsschutz auf Arbeitsmärkten hat kürzlich noch eine weitere Dimension erhalten: Am 23. April 2024 hat die US-Wett­be­werbs­be­hörde Federal Trade Commission („FTC“)  eine „Non-Compete Clause Rule“ veröffentlicht.8 Diese verbietet die meisten Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer (außer bestehende Wettbewerbsverboten für leitende Angestellte) in Arbeitsverträgen als unlautere Wettbewerbsmethoden – und zwar rückwirkend.

Deutschland: Marktabgrenzung

Nicht nur die internationalen Wettbewerbsbehörden schauen sich die Arbeitsmärkte immer genauer an. Auch der Kartellsenat des OLG Düsseldorf befasste sich zuletzt intensiv mit der kartellrechtlichen Abgrenzung eines Arbeitsmarktes. Hintergrund des Urteils vom 21. August 2023 (Az. 6 U 1/23 Kart) war der Vorwurf des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens, das im Rhein-Erft-Kreis mit der Organisation und Durchführung des Personennahverkehrs beauftragt war, gegenüber einem Berufsbusfahrer.

Arbeitsmärkte werden regelmäßig als Beschaffungsmärkte behandelt, auf denen Arbeitgeber die Arbeitsleistung nachfragen und um diese konkurrieren (bzw. Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung anbieten). Das OLG Düsseldorf definierte den Arbeitsmarkt nun unter Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts denkbar eng als „Arbeitsmarkt für Busfahrer im ÖPNV im Rhein-Erft-Kreis“ und insbesondere als Angebotsmarkt, auf dem Arbeitgeber Arbeitsplätze anbieten (bzw. Arbeitnehmer diese nachfragen). Die Marktabgrenzung kann sowohl hinsichtlich der Prüfung der Wettbewerberstellung (Kartellverbot) als auch des Missbrauchsverbots von Bedeutung sein. Insoweit eröffnet das OLG Düsseldorf mit seinem Ansatz eine neue kartellrechtliche Perspektive auf Arbeitsmärkte.

Fazit

Die „neue Ära des Kartellrechts“ wird auch in den kommenden Jahren im Bereich der Personalmärkte deutlich spürbar sein. Daher ist es entscheidend für Unternehmen auch in diesen Bereichen das Kartellrecht stets mitzudenken – sie müssen sich der Kartellrechtsrelevanz im Personalbereich stellen.

Diese Veröffentlichung wurde ausschließlich zu Informationszwecken erstellt. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt keine Rechtsberatung dar. Jegliche Haftung im Zusammenhang mit der Nutzung der Informationen sowie ihrer Richtigkeit wird ausgeschlossen.

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Quellen

  1. EU-Kommissarin für Wettbewerb und geschäftsführende Vizepräsidentin und Kommissarin für Digitales.
  2. Rede von M. Vestager „A new era of cartel enforcement” v. 22. Oktober 2021.
  3. Pressemitteilung der Kommission v. 21. November 2023
  4. Berichtet von PaRR am 6. März 2024.
  5. Siehe zu den Horizontal-Leitlinien COMMEO Newsletter aus 06/2023.
  6. Horizontalleitlinien, Rn. 316.
  7. Competition Policy Brief der Kommission v. 3. Mai 2024.
  8. Pressemitteilung der FTC v. 23. April 2024

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